4 Innenpolitik Neue Freie Zeitung „Die Affäre Marsalek hat ihren Ursprung im schwarzen Netzwerk!“ Bis vor wenigen Tagen kannte niemand Jan Marsalek. Heute sind die Medien voll mit Berichten über den mysteriösen Wirecard-Vorstand, der auf der Flucht ist. Und neben dem Wirtschaftskrimi um den gefallenen Stern an der deutschen Börse macht das „James Bond“-Doppelleben des Wieners Schlagzeilen. Christian Hafenecker, FPÖ-Fraktionsführer im Ibiza-U-Ausschuss, setzt das Puzzle zusammen. Der mysteriöse Schattenmann im Wirecard-Vorstand als geheimer FPÖ-Informant. So kam die Geschichte auf. Was ist an diesen Vorwürfen dran? Hafenecker: Wenig bis gar nichts. Herr Marsalek hat die FPÖ gar nicht informiert, sondern den Geschäftsführer der Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft (ORFG). Der hat einige dieser Infos an den damaligen FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus weitergeleitet. Das erschließt sich aus den Akten des U-Ausschusses – mehr nicht. Aber es waren sensible und geheime Informationen aus dem Innenministerium. Hafenecker: Es waren sicherlich Informationen, die nicht auf legalem Weg zu Herrn Marsalek gekommen sind. Wenn sie überhaupt stimmen, denn ausgerechnet die „Presse“, die diesen „Dieser Mann ja nicht erst seit gestern – oder besser gesagt seit dem FPÖ-Regierungseintritt Ende 2017 – über beste Kontakte ins Innenministerium verfügt, sondern offenbar schon viel länger.“ Skandal konstruiert hat, schreibt, es handle sich ohnehin größtenteils um Fehlinformationen. Fehlinformationen, die zur spektakulären Hausdurchsuchung im Bundesamt für Verfassungsschutz geführt haben sollen. Hafenecker: Genau da wird es unseriös und man erkennt den ÖVP-Spin. Es gibt keinen Hinweis, dass Johann Gudenus die Infos ins damalige Innenministerium unter Herbert Kickl geleitet hat. Und die Hausdurchsuchung im BVT hat die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) beantragt. Und zwar aufgrund ganz anderer Verdachtsmomente, als sich aus den angeblichen Marsalek-Infos möglicherweise ergeben hätten. Aber warum war Marsalek dann Mitte 2018 im Innenministerium? Hafenecker: Er hatte einen Termin erbeten und erhalten. Immerhin war er Vorstand eines sehr erfolgreichen Unternehmens. Zu dieser Zeit zeigte sich auch Kanzler Kurz noch sehr gerne mit Marsaleks Vorstandschef Markus Braun, der sogar viel Geld für die ÖVP gespendet hat. Herbert Kickl hat den Termin selbst öffentlich gemacht. Er war persönlich nicht dabei, dafür aber Beamte aus dem schwarz eingefärbten BMI. Schon daran erkennt man, dass hier keinerlei Geheimniskrämerei im Spiel war. Trotz der Infos, die an Gudenus gingen, sehen Sie auch bei Marsalek einen schwarzen Faden zur ÖVP. Warum? Hafenecker: Weil dieser Mann ja nicht erst seit gestern – oder besser gesagt seit dem FPÖ-Regierungseintritt Ende 2017 – über beste Kontakte ins Innenministerium verfügt, sondern offenbar schon viel länger. Das könnte daran liegen, dass sein Kontaktmann von der ORFG aus dem engsten Umfeld von Ernst Strasser kommt. Die Affäre Marsalek hat ihren Ursprung im schwarzen Netzwerk. Und über diese Kontakte ist Marsalek dann auch an vertrauliche Informationen gekommen? Hafenecker: So sieht es aus. Medien behaupten, er habe auch Beamte bestochen. Und das BVT ist ja ohnehin nicht für Vertraulichkeit bekannt, schon gar nicht in Richtung ÖVP und ihrer Freunde. Das wissen wir aus dem BVT-Untersuchungsausschuss. Aber wenn sich herausstellen sollte, dass Marsalek auch die geheimen Papiere über das tödliche Gift „Nowitschok“ von dort bekommen hat, ist das der bisher größte BVT-Skandal. Daher habe ich den Sachverhalt sofort der WKStA angezeigt. Welche weitere Initiativen setzen Sie, um aufzuklären? Hafenecker: Ich werde Anfragen an alle Ministerien richten, ob es Termine mit Herrn Marsalek gegeben hat und worum es dabei ging. Und ich warne die verantwortlichen Minister davor, etwas zu vertuschen. Denn wir haben ganz Foto: NFZ konkrete Hinweise. Wenn sich die verdichten, dann wird es für die ÖVP wirklich eng. Foto: Leo Molatore/flickr (CC BY-SA 2.0) Thema der Woche Wirecard sorgte jahrelang für Begeis Der FPÖ-Fraktionsführer im Ibiza-Untersuchungsausschuss, Christian Hafenecker, hat daher am Montag in einer Pressekonferenz den „schwarzen Faden“ zwischen der ÖVP und der Skandalfirma Wirecard herausgearbeitet. Denn es war Sebastian Kurz, der schon 2017 den in Wien lebenden Wirecard-Vorstandsvorsitzenden Markus Braun an seiner Seite präsentierte und sich über 70.000 Euro Spenden Brauns an die ÖVP freuen durfte. Kein Wunder, dass Braun dann auch in den geheimnisumwobenen „Think Tank“ des Kanzlers berufen wurde. Dessen Leiterin ist die Unternehmensberaterin Antonella Mei-Pochtler, die An- Wirecard- „Hobby-James-Bond“ dü Die Medien überschlagen sich derzeit mit Berichten über ein flüchtiges Vorstandsmitglied der insolventen Firma Wirecard. Es wird behauptet, Jan Marsalek habe über Umwege vertrauliche Informationen an die FPÖ geleitet. Was dabei zu kurz kommt: Der Manager, der auch ein Doppelleben als „Hobby-James-Bond“ geführt haben dürfte, verfügt offenbar bereits seit Jahren über hervorragende Kontakte ins Innenministerium und hier vor allem ins BVT.
Nr. 29 Donnerstag, 16. Juli 2020 g terung aus Messen und an der Börse. Doch der Schein trog, am Ende fehlten 1,9 Milliarden Euro. Innenpolitik 5 Dunstkreis von Ernst Strasser Die Anfangszeit von Wirecard waren die Jahre ab 2000. Im Innenministerium saß damals der später wegen Korruption verurteilte Ernst Strasser (ÖVP). Er war auch Präsident der „Österreichisch-Russischen Freundschaftsgesellschaft“ (ORFG). Sein Geschäftsführer dort hieß Florian Stermann. Und ausgerechnet dieser Mann aus dem engsten Umfeld Strassers – die beiden betrieben sogar eine Firma – soll in den Jahren 2017/18 angeblich von Marsalek übermittelte vertrauliche Informationen aus dem BMI an den früheren FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus weitergeleitet haben. Dieser Umstand genügte der „Presse“, um einen FPÖ-Skandal zu konstruieren. Stermanns ÖVP-Vernetzung wird dabei ebenso außer Acht gelassen wie der Umstand, dass Marsalek schon weit vor Regierungseintritt der FPÖ offenbar bestens über Interna informiert Manager: Spionage-Spur zur ÖVP rfte schon seit Jahren über beste Kontakte ins schwarze Innenministerium verfügen fang Mai in der Debatte um die Corona-Überwachungs-App des Roten Kreuzes mit der Aussage für Empörung gesorgt hatte, europäische Länder müssten sich an Tools gewöhnen, die „am Rand des demokratischen Modells“ seien. Spenden an die ÖVP-Spitze? Personen wie Mei-Pochtler und Braun dürften keinen geringen Anteil daran haben, dass Sebastian Kurz in noch ungewöhnlich jungen Jahren zum ÖVP-Chef und Kanzler aufsteigen konnte. „Der Standard“ schrieb im Mai 2017, dass Mei-Pochtler Kurz in wirtschaftlich potenten Kreisen gut positioniert habe und Zusagen für finanzielle Unterstützung gewonnen werden konnten. „Mit dieser auf ihn zugeschnittenen finanziellen Stütze im Hintergrund habe Kurz auch die ÖVP letztlich ‚überzeugt‘“, heißt es in dem Bericht über die Motivation der Volkspartei, Kurz an ihre Spitze zu wählen. Einen anderen Weg dürfte Brauns Wirecard-Vorstandskollege Jan Marsalek – ebenfalls Wiener – gegangen sein. Ihm ging es wohl weniger um sichtbaren Ruhm als offizieller „Nachdenker“ für den Bundeskanzler, sondern um die Sicherung guter Geschäfte für Wirecard und abseits davon. Von Marsalek wird behauptet, sich gerne in Geheimdienst-Kreisen herumgetrieben und obskure Projekte verfolgt zu haben. Beispielsweise wollte er laut Medien eine Söldnertruppe im nordafrikanischen Bürgerkriegsland Libyen aufstellen. Und er soll streng geheime Dokumente über die Zusammensetzung des tödlichen Nervengifts „Nowitschok“ besessen haben. Russland wird vorgeworfen, damit gegen Regimegegner – insbesondere gegen ehemalige Spione – vorzugehen. BVT überprüfte Pornoanbieter Wie konnte Marsalek an solche Informationen kommen? Eine mögliche Antwort liefert erneut der „Standard“: „Dem Vernehmen nach halfen BVT-Mitarbeiter dem Unternehmen in dessen Anfangszeit, Pornoanbieter auf ihre Zahlungsfähigkeit zu prüfen. Das sei offenbar nebenberuflich erfolgt.“ Markus Braun bei einer Digitalkonferenz in Wien. Kanzler Kurz suchte die Nähe des Managers, die ÖVP freute sich über seine Spenden. Grafik: Klaus Ranger gewesen sein dürfte. Eine zentrale Rolle dürfte dabei die ORFG gespielt haben, der die Firma Wirecard laut einem Bericht der „Presse“ jährlich zwischen 10.000 und 20.000 Euro gespendet haben soll. Kein Wunder, dass sich Geschäftsführer Stermann also für Marsaleks Anliegen verwendet haben dürfte. Dass in der ORFG auch nach Ernst Strassers Abschied bis heute wesentliche Persönlichkeiten aus dem Innenministerium – etwa der frühere Kabinettschef Michael Kloibmüller – saßen, dürfte diesen Anliegen nicht geschadet haben. Hafenecker bringt Anzeige ein Während die im Ibiza-Untersuchungsausschuss in Bedrängnis geratene ÖVP mit Nebelgranaten wirft, setzte die FPÖ den ersten Schritt zur Aufklärung dieser wilden Posse zwischen Wirtschaftskriminalität und Geheimdienstlerei. Christian Hafenecker brachte eine umfassende Sachverhaltsdarstellung bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ein. Er erhob den Verdacht des Amtsmissbrauchs, der Bestechlichkeit und des Verrats von Amtsgeheimnissen gegen unbekannte Täter im Innenministerium sowie insbesondere im BVT.
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