4 Innenpolitik Neue Freie Zeitung Einmalzahlung statt Hilfspaket-Bürokratie Michael Fürtbauer, Gastwirt und geschäftsführender Landesobmann der Freiheitlichen Wirtschaft OÖ, kritisiert im NFZ-Interview das Chaos und die Bürokratie bei den „Corona-Hilfspaketen“: „Das Ganze ist für einen Normalsterblichen kaum durchschaubar!“ Wie geht es einem Gastwirt in Zeiten der Corona-Krise? Fürtbauer: Ich betreibe seit 25 Jahren einen klassischen Landgasthof mit vier Mitarbeitern in Ohlsdorf, in der Nähe von Gmunden. Seit 16. März haben wir geschlossen. Die Möglichkeit der Essenszustellung oder -abholung ist auf dem Land relativ schwierig. Schwierig sind natürlich auch diese ganzen Zusagen, die von der Politik gemacht werden. Ich habe mich ab 17. März tagelang mit den Ansuchen um Kurzarbeit für meine Mitarbeiter spielen dürfen. Ich habe aber bis heute keine Zusage bekommen. Das heißt, ich agiere derzeit im luftleeren Raum. Ihrer Meinung nach ist die Hilfe viel zu bürokratisch organisiert? Fürtbauer: Das Ganze ist für einen Normalsterblichen kaum durchschaubar, das ist ein Riesengeschäft für Steuerberater. Wenn die Regierung rät, den März zweimal abzurechnen, einmal normal und einmal mit Kurzarbeit ab 17. März, dann kann der Steuerberater die Lohnverrechnung zweimal in Rechnung stellen. Für den Unternehmer ist das ein Riesenproblem. Die anderen Förderanträge im ersten Corona-Paket waren ein Fiasko. Was mich dabei gestört hat, ist, dass die Kammer alle meine Daten bekommt und dazu ein Einschaurecht in meine Buchhaltung für die letzten zehn Jahre. Wozu? Einmalzahlungen wie in der Schweiz oder Deutschland sind weitaus unbürokratischer. Unsere Finanzbehörden haben alle Daten, könnten den Umsatzausfall leicht berechnen und die Hilfszahlung abwickeln. Sie hätten also den Härtefonds lieber bei der Finanz angesiedelt gesehen? Selbstverständlich. Die Finanzämter haben die Bilanzdaten der letzten Jahre und könnten sofort tätig werden. Dazu kommt, dass die 2019er-Bilanz „Diese Unsicherheit treibt die Leute in den Wahnsinn.“ benötigt wird, die kaum noch jemand hat. Wie hier die Förderrichtlinien laufen, weiß im Prinzip auch niemand. Werden die zwei oder drei Monate der Schließung mit Null-Umsatz gerechnet, oder das hochgerechnet auf den Jahresumsatz? Ich würde also „nur“ rund ein Viertel meines Umsatzes verlieren und so aus den Förderrichtlinien herausfallen. Sie fühlen sich im Regen stehengelassen? Fürtbauer: Ja. Noch schwieriger ist es für die, die keine finanziellen Rücklagen haben. Wie wäre Ihnen und Ihren Kollegen am besten geholfen? Fürtbauer: Warum muss der Antrag auf Kurzarbeit eines Gastronomen, der seinen Betrieb behördlich schließen musste, von einem Sozialpartner geprüft werden? Deshalb kann ich alle verstehen, die sich das nicht antun wollen und ihre Leute zum Arbeitsamt schicken. Das diese Woche vorgestellte Ausstiegsszenario sagt uns Wirten nichts. Es weiß niemand, was bis 15. Mai passieren wird. Was tun dann erst Unternehmer im Tourismusbereich, der Saisonarbeiter braucht? Soll er denen zu- oder absagen? Probleme erwarte ich auch, wenn wir öffnen dürfen: Wann und vor allem unter welchen Auflagen dürfen wir öffnen? Diese Unsicherheit, wie lange wir geschlossen haben müssen, treibt die Leute in den Wahnsinn. Foto: FW OÖ Foto: NFZ Thema der Woche Corona-Krise: Eine Schwarze-grüne „Corona-Schutzmaßnahmen“ be Das Coronavirus und die Maßnahmen der schwarz-grünen Koalition haben eine Schneise in die heimische Wirtschaft und den Arbeitsmarkt geschlagen. Während aus dem Gesundheitssektor täglich neue Zahlen kommen, lässt die Koalition bei der Erfassung der wirtschaftlichen Folgewirkungen jegliche Transparenz vermissen. Nach Ostern solle der langsame Weg zurück in Richtung Normalität beginnen, erklärte die Koalitionsspitze bei ihrer täglichen „Corona-Inventur“ am vergangenen Montag. Ab dem 14. April sollen kleine Geschäfte sowie Bau- und Gartenmärkte unter strengen Auflagen wieder öffnen dürfen. Ab 1. Mai sollen dann alle Geschäfte, Einkaufszentren oder Friseure folgen. Hotels und Gastronomie dürfen frühestens Mitte Mai ihre Pforten öffnen. Voll des Lobes für die Maßnahmen der Koalition war Grün-Vizekanzler Werner Kogler: „Hätten wir zu langsam und unkonkret gehandelt, wären die Zahlen völlig anders.“ Er verwies auf Modellrechnungen mit bis zu 100.000 Toten in Österreich durch das Coronavirus. Experten: Ende des „Shutdown“ Mit ebenso dramatischen, aber realitätskonformeren Modellrechnungen haben die heimischen Wirtschaftsforscher bereits vor einer Woche aufgewartet und darauf hingewiesen, dass eine Verlängerung des „Shutdown“, also der De-facto-Schließung aller Betriebe, genau abzuwägen sei. Aber bis auf die Freiheitlichen hat das bisher keiner in Erwägung gezogen. „Es besteht die dringende Empfehlung, das Hochfahren der Wirtschaft wieder ernsthaft zu überlegen“, mahnte Wifo-Chef Christoph Badelt. Man solle dafür aber die Coronavirus-Hochrisikogruppen besser schützen. IHS-Chef Martin Kocher pflichtete dem bei und wies auf „größere wirtschaftliche Probleme in der Industrie und am Bau“ hin, wenn der „Shutdown“ bis Mitte Mai dauern sollte. Das würde die Wirtschaftsleistung um ganze fünf Prozent drücken, also das Wachstum der letzten drei Jahre zunichte machen. „Wir können uns das wirtschaftlich nicht leisten. Wir müssen es schaffen, die Industrieproduktion und den Bau aufrecht zu halten, unter Einhaltung der nötigen Si-
Nr. 15 Donnerstag, 9. April 2020 g Innenpolitik 5 POLITIK ANALYSIERT Foto: FPÖ Erwin Angerer FPÖ-Wirtschaftssprecher Geschlossene Geschäfte, leere Einkaufszentren: Durch das Runterfahren der Wirtschaft haben bereits 600.000 Menschen in Österreich ihren Job verloren, 400.000 sind in Kurzarbeit. Million Arbeitsplätze weg? scherten 600.000 Arbeitslose und 400.000 Kurzarbeiter seit Anfang März cherheitsabstände und der nötigen medizinischen Vorgaben“, empfahl Kocher. Eine Million ohne Job Aufhorchen ließ die freiheitliche Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch die dienstägige Ankündigung von Arbeitsministerin Christine Aschbacher und Finanzminister Gernot Blümel. Die per Verordnung festgesetzten drei Milliarden Euro allein für die Finanzierung der Kurzarbeit wurden von den beiden ÖVP-Politikern damit begründet, dass aktuell bereits 23.000 Betriebe rund 400.000 Arbeitnehmer zu diesem Arbeitsmarktmodell angemeldet haben. „Summiert man das mit den 560.000 per 1. April beim AMS angemeldeten Arbeitslosen, dann sind wir bereits bei einer knappen Million Menschen in Österreich, die aktuell beschäftigungslos sind“, zeigte sich Belakowitsch bestürzt über die Folgen der schwarz-grünen Wirtschafts-Zwangsmaßnahmen. Was Österreich jetzt brauche, ist eine rasche und kontrollierte Rückkehr in den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Normalbetrieb – und eine massive Erleichterung Belakowitsch: Eine Million Arbeitsplätze seit März verloren. Foto: NFZ für Arbeitnehmer und Unternehmer bei der Inanspruchnahme von tatsächlichen Unterstützungen, forderte die FPÖ-Sozialsprecherin und warnte eindringlich: „Tag für Tag verliert das Land an Wirtschafts- und die Bürger an Kaufkraft. Das benutzt vor allem die ÖVP, die die Betroffenen zu Bittstellern in einem partei- und machtpolitisch orientierten Fördersystem macht. Dieses droht in einer neuen Leibeigenschaft bei Wirtschaftskammern, Härte- und Hilfsfonds und letztendlich der Kreditwirtschaft zu enden.“ Was bei den schwarz-grünen „Maßnahmepaketen“ gänzlich fehle, sei die Transparenz. Sie forderte deshalb die Arbeitsministerin und deren Parteikollegin im Wirtschafsressort, Margarete Schramböck, auf, auch eine tägliche Statistik über die Folgen der Maßnahmen zu veröffentlichen: „Wir brauchen tägliche aktualisierte Arbeitsmarktzahlen sowie Auskunft über Personen in Kurzarbeit und die Zahlungsunfähigkeit von Unternehmen, um endlich auch die Steuerzahler darüber informieren zu können, welche Konsequenzen der von Schwarz-Grün eingeschlagene Weg wirklich ausgelöst hat!“ Die Ausbreitung des Coronavirus geht mit enorm negativen Auswirkungen auf die heimische Wirtschaft einher. Es ist davon auszugehen, dass die Schäden irreparabel sind und die österreichische Wirtschaftskraft über Jahre zurückwerfen werden. Aus den Fehlern lernen Besonders belastend ist die Situation für viele Unternehmen, die noch immer keine definitive Auskunft erhalten, wann der wirtschaftliche „Shutdown“ beendet wird. Wir brauchen daher einen rot-weiß-roten Schutzschirm, auf den sich die Wirtschaft in Österreich verlassen kann. Im Nationalrat haben wir Freiheitliche bereits mehrfach schnelle „Reparaturlösungen“ für die Covid-19-Pakete der Bundesregierung gefordert. Unsere Befürchtungen, dass die Aufhebung des Epidemiegesetzes 1950 zu einer großen Rechtsunsicherheit und einem finanziellen Anspruchsverlust für viele Unternehmen führt, hat sich leider bewahrheitet. Auch die eingeführten Förderprogramme zeichnen sich hauptsächlich durch Bürokratismus aus und bereiten Unternehmen enormen Verwaltungsaufwand. Besonders wichtig wäre es nun, an die Zeit nach Corona zu denken, weshalb wir Freiheitlichen an eine Art „Zukunftsfonds“ – dotiert mit zwei Milliarden Euro – gedacht haben, um Investitionen und Unternehmensexpansionen zu ermöglichen. Leider hat die Koalition die meisten unserer Forderungen abgelehnt, mittlerweile jedoch unserem Druck nachgegeben und zumindest ein schrittweises Wiederhochfahren der Wirtschaft in Aussicht gestellt. Ein kleiner Erfolg für unsere Unternehmen!
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