8 Außenpolitik Neue Freie Zeitung Foto: NFZ Harald Vilimsky Auf Coronakrise folgt die Schuldenkrise Noch wissen wir nicht, wann die Corona-Krise vorbei sein wird. Auch die wirtschaftlichen Folgen lassen sich kaum abschätzen. Wir wissen nur eines: Sie werden gewaltig sein, und sie werden die Frage der Staatsverschuldung in den Mittelpunkt der Debatte rücken. Die südlichen EU-Länder – Italien, Spanien, Portugal und Frankreich – wollen die Gelegenheit nützen, um endlich „Euro-Bonds“ einzuführen, die neuerdings „Corona-Bonds“ heißen. Das würde bedeuten, Mit „Corona-Bonds“ zur Schuldengemeinschaft? Der niederländische Finanzminister Wopke Hoekstra brachte auf der jüngsten Videokonferenz der EU-Finanzminister die Bedenken gegen „Corona-Bonds“ – also die Vergemeinschaftung der Schulden, die die EU-Länder zur Bekämpfung der „Corona-Krise“ machen – auf den Punkt: „Die permanente Finanzierung von Staaten der Eurozone durch die EZB ist widerrechtlich und durch den Vertrag von Maastricht verboten.“ Seine Kollegen aus den südlichen EU-Ländern Italien, Spanien, Portugal und Frankreich fassten das als Affront auf und forderten trotzig umfangreiche Finanzhilfen der Union für ihre von der Corona-Krise gebeutelten Länder, so berichten Diplomaten vom EU-Finanzministertreffen. Wie die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat sich auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bisher zurückhaltend über die sogenannten „Corona-Bonds“ geäußert. Aber die Kommission FÜR ÖSTERREICH IM EU-PARLAMENT dass die Staatsschulden in der Eurozone vergemeinschaftet werden. Das Problem: Es würden auch jene Staaten haften, die sparsam mit dem Geld ihrer Steuerzahler umgehen – und zwar für andere, die das nicht tun. Also Länder wie Deutschland, die Niederlande oder auch Österreich zahlen die Rechnung für Italien oder Frankreich. Rechtlich wären gemeinsame Schulden gar nicht möglich. Dass in der EU Regeln aber beliebig gebogen werden, haben wir beim Dublin-Abkommen in der Flüchtlingskrise ebenso gesehen wie im nonchalanten Umgang mit den Maastricht-Kriterien – die dank Corona – ohnehin bereits ausgesetzt sind. Dass EU-Zentralisten wie Othmar Karas solche Eingriffe in die nationale Souveränität befürworten (im Gegensatz – zumindest noch – zu Kanzler Kurz), wundert keinen. Dass damit aber die nächste gewaltige Eurokrise vorprogrammiert wäre, ist auch klar. Foto: EP selbst werde nun Mittel aus dem laufenden EU-Haushalt mobilisieren, die sofort Entlastung brächten. Und es fließt noch mehr Geld. Die EZB wird zukünftig für 750 Milliarden Euro Anleihen von Staaten und Unternehmen aufkaufen und zwar unbegrenzt von jedem Land. Bisher galt als Limit der prozentuelle Anteil eines Landes am Kapital der EZB. Damit wird die Staatsverschuldung der Maastricht-Verächter künftig über die Notenpresse finanziert. Lagarde öffnet EZB-Schleusen. Foto: flickr.com/photos/maistora Nicht Gesunde in d sondern nur die Ris Schweden bekämpft das Coronavirus mit Vernunft Der Alltag in Schweden hat sich auch in der Corona-Krise für die Mehrheit d und Wirtschaftsleben auf ein Minimum eingeschränkt hat, sind in Stockholm Während die meisten EU-Staaten den restriktiven Verbotskurs Chinas nachahmen und damit auch ihre Wirtschaft de facto lahmlegen, geht Schweden einen völlig anderen Weg: Schwedens rot-grüne Regierung appelliert an die Vernunft der Bürger und rät nur Risikogruppen zur Heimquarantäne. In Schweden sind derzeit Kindergärten und Schulen, ebenso wie die meisten Geschäfte geöffnet. Lediglich Ansammlungen von über 500 Menschen sind untersagt. Schweden weist derzeit (Stand Dienstag) mit knapp 3.000 Infizierten eine deutlich niedrigere Zahl aus, als etwa Österreich. Bei den Corona-Toten liegt Schweden nur knapp vor Österreich. Vernunftappell statt Verbote Stefan Löfven, Chef der rot-grünen Minderheitsregierung, verkauft das Ganze als Bekenntnis zur Freiheit der Bürger: „Es gibt eine individuelle Verantwortung, die muss jeder für sich selbst, für seine Mitmenschen und sein Land übernehmen. Wenn alle das tun, kommen wir als Gesellschaft auch durch diese Krise.“ Zu Hause soll nur bleiben, wer sich krank fühlt. Alle, die von zu Hause aus arbeiten können, sollten dies tun. Und ja, man hält Abstand in den Parks und auf den Straßen, aber das öffentliche Leben ist nicht eingeschränkt. „Um Ansteckung zu verhindern, ist es aber am wichtigsten, dass Menschen mit Krankheitssymptomen zu Hause bleiben und dass wir die Schwachen schützen. Man soll an die frische Luft. Es ist ungesund, fünf, sechs Monate lang im Haus zu sitzen“, erläutert Johan Carlson, der Chef der schwedischen Gesundheitsbehör- Die Daten der John-Hopkins-Universit woch, 1, April 2020 – den Kurs der sch
Nr. 14 Donnerstag, 2. April 2020 g ie Quarantäne, ikogruppen appellen und nicht mit Verboten er Bürger nicht geändert. Während der Rest Europas das Gesellschaftsdie Geschäfte und Lokale weiterhin geöffnet. de, den schwedischen Sonderweg. Den Grund weshalb Kindergärten und Schulen offen sind, erklärt Anders Tegnell, der erste Epidemiologe des Königreiches, der jeden Tag um 14 Uhr die neuesten Zahlen und Erlässe vorträgt, so: Die Weltgesundheitsorganisation WHO habe keinen Fall dokumentiert, in dem sich ein Erwachsener bei einem Kind angesteckt habe. Wieso sollen zehntausende gesunde Kinder daheim bleiben, mit der Konsequenz, dass ihre Eltern wegen der Kinderbetreuung dann nicht mehr zur Arbeit gehen können? ät bestätigen bisher – Stand Mittwedischen Regierung. Quelle: John Hpkins Universität / Grafik: NFZ Kalkulierter Epidemie-Plan Tegnells Kalkül basiert auf zwei Grundregeln. Erstens: Ältere und gesundheitsschwache Bürger sollen sich streng isolieren, also auch keine Besuche von Kindern und Enkeln erhalten. Zweitens: Wer an sich auch nur leichte Symptome feststellt, soll zu Hause bleiben. Die Ziele im Kampf gegen das Virus sind dabei dieselben wie anderswo: Die Virusausbreitung soll abgebremst werden, damit nicht zu viele Menschen gleichzeitig schwer erkranken und die Gesundheitssysteme überfordert werden. Aber im Gegensatz zum asiatischen Modell der De-facto-Quarantäne für alle, werden in Schweden die Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft aufgefangen. Die Arbeitslosigkeit stieg – im völligen Gegensatz zu Österreich – nur moderat. „Niemand weiß, was derzeit richtig und was falsch ist“, zitiert „Die Welt“ den schwedischen Soziologe Fredrik Liljeros. Er sieht einen Grund für den Sonderweg in der Tatsache, dass Wissenschaftler und Behörden in Schweden bereits seit Längerem bei der Forschung zur Ausbreitung von Viren zusammenarbeiteten: „Das sorgt dafür, dass wir glauben, dass die schwedische Strategie stärker auf wissenschaftlichem Boden fußt als anderswo.“ KURZ UND BÜNDIG Verlängerter Einreisestopp Außenpolitik 9 Der zunächst auf einen Monat begrenzte Einreisestopp der USA für Besucher aus Europa zur Bekämpfung des Corona-Virus wird nach Angaben von US-Präsident Donald Trump verlängert. Bei einer Pressekonferenz am vergangenen Montag erklärte er, dass diese und ähnliche Beschränkungen in Kraft bleiben und möglicherweise sogar verschärft werden. Der US-Präsident ließ offen, bis wann der Einreisestopp, der eigentlich Mitte April auslaufen sollte, dauern soll. Alle restriktiven Schutzmaßnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-Epidemie in den USA werden auf jeden Fall bis Ende April verlängert. Berlin: „Migrationsforscher“ für noch mehr Zuwanderung Foto: swiss image Weniger Tote im Mittelmeer Die Zahl der ertrunkenen Migranten im zentralen Meer ist im März auf den tiefsten Stand seit Jahren gesunken. Die Zahl der Überfahrten ist seit Ausbruch der Corona-Krise stark zurückgegangen. So kamen in diesem Jahr nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) bis zum 31. März noch 133 Menschen auf der zentralen Mittelmeerroute ums Leben. Im ersten Quartal 2015 waren es noch 456 Tote. Der langfristig rückläufige Trend erklärt das IOM vor allem dadurch, dass sehr viel weniger Migranten als vor einigen Jahren auf dieser gefährlichen Route nach Europa gelangen wollen. Foto: FPÖ OÖ Deutschland soll in Europa die Tore für Einwanderer öffnen – auch in Zeiten der Corona-Krise, sowohl für legale wie illegale Einwanderung. Das fordert der Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Migration von der Berliner Regierung. Die für dieses Jahr geplante Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems soll erstens weiterhin irreguläre Einreisen von Schutzsuchenden ermöglichen. Zweitens solle sie eine solidarische Verteilung auf die Mitgliedstaaten enthalten, die EU soll „Schutzbedürftige aus Transitländern wie Libyen verstärkt direkt aufnehmen“. Und drittens fordern die „Migrationsforscher“ den Ausbau „regulärer Zuwanderungswege“, insbesondere für Flüchtlinge mit dem größten Schutzbedarf – zum Beispiel Familien oder Personen mit gesundheitlichen Einschränkungen. Die vierte zentrale Forderung der „Migrationsforscher“: Die von Griechenland geschlossene Landgrenze zur Türkei solle bald wieder für Asylsuchende geöffnet werden. Und nicht nur das, der Sachverständigenrat fordert die EU auf, in ihren neuen Verhandlungen mit der Türkei dieser mehr Flüchtlinge direkt abzunehmen. Das alles soll erreicht werden, wenn Deutschland in der zweiten Jahreshälfte die EU-Ratspräsidentschaft innehat, und somit die Reform des Asylsystems hin zu einem einheitlichen Europäischen Asylrecht vorantreiben kann. Ist wirklich Platz für alle in Europa? Foto:: Frontex
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